Controlling – Kunsthandwerk oder Profession ?

19.09.2008 16:12

 Controlling wird in der deutschsprachigen wirtschaftlichen Praxis sowohl in Profit- als auch Non-Profit-Organisationen durchgehend als sinnvolle Funktion akzeptiert und eingesetzt. In der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Forschung und Literatur existieren zum Controlling mehrere Zeitschriften, fast unzählige Bücher und Fachartikel zu verschiedensten Teilaspekten und aus unterschiedlichsten Blickrichtungen. Es bestehen Ansätze und Arbeitsgruppen, die ein gemeinsames Verständnis von Controlling in Theorie und Praxis zu erreichen versuchen. 


Die bislang vorliegenden Ergebnisse und Erkenntnisse sind nicht ausreichend, um für aktive Controller ihre Rolle, konkrete Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Instrumente und Techniken kurz, einfach verständlich und für alle relevanten Felder des Controllings gültig zu beschreiben, geschweige denn hierdurch praktikable Anregungen für den Alltag zu bekommen. Damit kann bislang noch keine Aussage über potentielle und realisierte Effizienz sowie Effektivität von Controlling gemacht werden.
 

Im Vergleich zu anderen Wissenschaften mit längerer Tradition befindet sich Controlling erst in einem Anfangsstadium: Nimmt man z.B. die Medizin zum Vergleich, so ist diese in Ihren Prozessen, Inhalten und auch ihrer internen Diskussionskultur aufgrund einer jahrhunderte alten Geschichte und deren Dokumentation deutlich weiter entwickelt: Anamnese, Diagnose und Therapie sind für den Arzt als institutionalisierte Stelle der Medizin normale handwerkliche Instrumente, die bereits während der Ausbildung an konkreten Fällen geübt werden. Derartiges Basis-Handwerkszeug ist für das Fach Controlling noch nicht einmal absehbar, geschweige denn Teil der Ausbildung.

Der vorliegende Ansatz möchte zum einen die Diskussion über Controlling anregen und einen Teil dieser Lücke durch ein grundlegendes und allgemeines Controllingkonzeptschliessen.

 

Das Controlling-Basis-Konzept:

 

Controlling ist in Theorie und Wirtschaftspraxis ein fester Begriff und inzwischen haben  es fast alle Unternehmen bei sich installiert. Trotzdem gibt es im Sprachgebrauch keine einheitliche Verwendung. Dies liegt u.a. daran, dass in der Kommunikation über Controlling sehr häufig unbewusst von unterschiedlichen Ebenen gesprochen wird. Um eine saubere Basis zu legen ist es notwendig, mindestens zwischen dem institutionalen, dem funktionalen und dem strukturalen Controllingbegriff zu differenzieren.

Institutional bezeichnet den Teil einer Aufbauorganisation, der als Controlling identifiziert und evtl. sogar bezeichnet wird. Controlling findet jedoch nicht allein durch diese und in dieser Abteilung statt. Häufig liegen Aspekte des Controllings auch in den Händen des Finanzvorstandes, kaufmännischen Leiters, Buchhalters oder Revisors.

Die funktionale Begriffsebene erfasst das eher technisch Abstrakte im Controlling, vergleichbar einer mathematischen Funktion „f(x)=Controlling“. Hier sind die Ziele, Mechanismen und Aktionsfelder enthalten, so dass bei Verwendung in diesem Sinn die Wirkung von Controlling in der Organisation gemeint ist.

Welche Elemente, Prozesse und Beziehungen in der Organisation zu einem Controllingsystem führen beschreibt die strukturale Begriffsebene. Bei Verwendung in diesem Zusammenhang werden u.a. EDV-Systeme, Gremien, Datenbanken, Schnittstellen, Formulare, Informationsinhalte aber auch Mitarbeiter und Manager gemeint, durch deren Zusammenwirken dann Controlling im Sinne der Systemtheorie entsteht.

Controlling hat jedoch auch die politisch zweckorientierte Komponente. Es stellt sich bei jeder Funktion in Organisationen die Frage, nach dem Wozu und für wen, so dass Controlling immer auch benutzt wird und instrumental zu sehen ist. Hier liegt die Verpflichtung, Controlling als interne Dienstleistung für eine zu identifizierende Kundengruppe in einem individuellen Umfeld zu verstehen.

 

Abbildung 1: semantische Begriffsebenen des Controlling

 

Begriffsebene

Institutional

Funktional

Struktural

Instrumental

Kernfrage

Wer ?

Wie & Wozu ?

Wodurch ?

Für wen ?

Dimensionen

Rollen, 

(Kompetenzen, Verantwortung, Titel, Fähigkeiten)

Ziele, Funktionen, Aktionsfelder

Prozesse, Systeme, Formulare, Inhalte, Definitionen

Kunde, Umfeld (Volumen, Kultur, Branche, ...)

 

Alle vier Teilaspekte des Begriffes Controlling sind verschiedene Seiten eines Würfels. Bei der Verwendung und dem Einsatz von Controlling sind folglich diese Ebenen und die damit verbundenen jeweiligen Themen gleichzeitig zu betrachten, für den individuellen Fall zu diskutieren, konkret mit Leben zu füllen und sinnvoll aufeinander abzustimmen.

 

Hierzu helfen die mit den einzelnen Begriffsebenen verbundenen Dimensionen, die durch ihre überschaubare Anzahl gewährleisten, dass alle semantischen Ebenen des Controllings gleichzeitige und integrierte Berücksichtigung finden. Es besteht zusätzlich die Möglichkeit, je nach individuellem Sachverhalt der Anwendung, weiter zu verfeinern und zu teilen.

 

Einige Dimensionen stellen i.d.R. gesetzte Prämissen dar und sind kurz- bis mittelfristig aus Sicht Controlling nicht disponibel. Andere sind originäre Aspekte des Controlling und damit von diesem selbst zu gestalten. Damit kann auf einfache Weise durch die Zuordnung der Dimensionen zur Prämissenfläche oder zur Gestaltungsfläche der Handlungsraum sinnvoll eingeschränkt werden. Dieses hilft zum einen Controlling nicht als ein Modell auf der grünen Wiese zu verstehen, sondern in einen bestehenden Kontext einzuordnen - was i.d.R. der Fall sein dürfte – und zum anderen Controlling nur mit den gewünschten und nicht mit allen Managementthemen einer Organisation zu belasten.


 

 

Abbildung 2: Sternkonzept als Basis zur Ausgestaltung einer Controllinganwendung

 
   

 Die Umsetzung dieses Konzeptes kann durch iteratives Begreifen, Überprüfen, Diskutieren und Ausformulieren der einzelnen Strahlen des Sternes erfolgen. Dabei ist es nicht relevant, ob bereits ein bestehendes Controllingkonzept vorliegt und anhand des Modells überprüft und modifiziert oder Controlling grundsätzlich neu aufgesetzt wird.

 

Es ist klar, dass jede Controllinganwendung für sich individuell ist. In einer Momentaufnahme zu einem gewählten Zeitpunkt hat jeder Strahl ein eigenes Profil bzgl. Ausprägungen, Qualität und Quantität. Alle Dimensionen sind notwendig, wichtig und bedingen sich gegenseitig. Bei der Umsetzung muss deshalb gleichmässig in die Tiefe gegangen werden. Kein Manager wird akzeptieren, wenn Systeme und Formulare perfekt aufgesetzt werden aber leider nicht rechtzeitig für den Budgetprozess fertig sind oder alle Dokumente nur in Deutsch vorliegen und von den japanischen Kollegen nicht verstanden werden.

 

Das hier vorgestellte Konzept ist ein in der Praxis gewachsenes Grundgerüst für Controllinganwendungen, welches nicht den Anspruch einer einzig richtigen Lösung erhebt. Es ist eine mögliche Art, um das schwer greifbare Thema „Controlling“ mit Leben zu füllen und kann auf verschiedenste Managementfelder angewendet werden. In der Praxis wurden
über dieses Modell diverse Controlling-Audits aber auch Controlling-Konzeptionen realisiert. Damit besteht ein „Proof of Concept“ dieses mehrdimensionalen strukturierten Controllingansatzes.

  

Die gelebten Beispiele haben ergeben, dass es wichtiger ist, auf allen Dimensionen der Gestaltungsfläche ein grob richtiges Mindestniveau zu erlangen und dann gleichmässig die Qualität zu steigern, als Schwerpunkte zu setzen und andere Dimensionen schleifen zu lassen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass dieses strukturelle Vorgehen und die ganzheitliche Konzeption dem Naturell des Controllers entsprechen und die Projektarbeit für alle Beteiligten generell hoch motivierend war. 

Site durchsuchen

Kontakt

OECON Consulting AG DE: Hermann-Blenk-Str.22, Braunschweig
CH: Bahnhofplatz, Zug
DE: +49 531 35 444 - 10
CH: +41 41 511 24 - 70